Kann ich vom Rennrad bzw. Radfahren Erektionsstörungen oder Erektionsprobleme, Impotenz bekommen?
Ein Überblick über die Studienlage.
Da ich mich zur Zeit im Rennradurlaub auf den Balearen befinde und nun schon einige Mythen bzgl. erektiler Dysfunktion/Impotenz durchs Rennradfahren von Trainingspartnern gehört habe, habe ich mein Wissen mit der aktuellen Studienlage für euch einmal zusammengefasst.
Zunächst einmal: Was ist eine erektile Dysfunktion/Erektionsstörungen?
Der männliche Penis besteht größtenteils aus elastischem Gewebe, das hauptsächlich aus zwei Schwellkörpern besteht. Wenn ein Mann sexuell stimuliert wird, füllen sich diese Schwellkörper mit Blut, wodurch der Penis erigiert wird. Die nervösen Impulse, die für diesen erhöhten Blutfluss verantwortlich sind, kommen aus dem Gehirn und gelangen über das Rückenmark zum Penis, wo sich wichtige Nerven und Blutgefäße im Perineum-Bereich befinden.
Beim Fahrradfahren wird das Körpergewicht des Mannes zwischen den Beckenknochen auf diesem Bereich konzentriert. Viele Rennradfahrer klagen über Taubheit im Schritt, was in den allermeisten Fällen auf den Druck des Sattels zurückzuführen ist. Bei langen Fahrten kann dieser Druck zu Verletzungen der Nervenfasern und der Arteria pudenda führen, was zu einer Minderdurchblutung und Taubheitsgefühlen im Dammbereich führen kann.
Eine Studie "Cycling and penile oxygen pressure: The type of saddle matters", die von der European Association of Urology 2012 veröffentlicht wurde, untersuchte den Einfluss von Fahrradsitzen auf die sexuelle Gesundheit von Männern. Die Studie ergab, dass schmale Fahrradsitze den Sauerstoffgehalt im Penis um bis zu 82 Prozent reduzieren können und damit das Risiko für Potenzprobleme erhöhen.
Link zur Studie: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22177104
Die Forscher empfehlen breite, gut gepolsterte Sättel mit einer Nasenlänge von nicht mehr als sechs Zentimetern, um den Damm zu entlasten und das Risiko für erektile Dysfunktion zu verringern.
Langfristig kann dies auch zu Erektionsproblemen führen, insbesondere wenn der Radfahrer lange Zeit auf dem Sattel sitzt. Um dieses Problem zu vermeiden, sollten Rennradfahrer auf einen gut angepassten Sattel achten und regelmäßige Pausen einlegen, um die Durchblutung wiederherzustellen.
Eine weitere Studie "The impact of bicycle seat shape on the pressure to the perineum of the bicyclist" aus dem Jahr 2014, die im Journal of Sexual Medicine veröffentlicht wurde, führte Druckmessungen mit speziellen Sensoren Druckmessungen auf den Sattel durch. Die Teilnehmer waren 90 männliche Radfahrer, die in drei verschiedenen Sattelpositionen auf einem Fahrrad saßen. Die Ergebnisse zeigten, dass der Druck im Dammbereich am niedrigsten war, wenn ein breiter, gepolsterter Sattel verwendet wurde und der Lenker niedriger als der Sattel positioniert war.
Link zur Studie: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24344661
Neuere Studien unterstreichen die Wichtigkeit des Sattels und Entlastung des Dammbereichs immer wieder:
1. Motallebi et al. (2021) führten eine systematische Überprüfung und Meta-Analyse durch, um den Zusammenhang zwischen Radfahren und Erektionsstörungen zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigten, dass langes Radfahren, insbesondere bei unzureichender Polsterung, signifikant mit einem erhöhten Risiko für Erektionsstörungen verbunden ist.
2. Kovac et al. (2020) führten ebenfalls eine systematische Überprüfung der Literatur durch und stellten fest, dass langes Radfahren das Risiko von Erektionsstörungen erhöhen kann, da es zu Nerven- und Durchblutungsstörungen in den Genitalien führen kann.
3. Riccetto und Silva (2020) veröffentlichten einen Übersichtsartikel, in dem sie die bisherigen Erkenntnisse zur Verbindung zwischen Radfahren und sexueller Funktion zusammenfassen. Sie betonen dabei, dass weitere Studien erforderlich sind, um den Zusammenhang zwischen Radfahren und sexueller Funktion genauer zu untersuchen.
4. Choi et al. (2020) führten eine randomisierte, kontrollierte Untersuchung durch, um den Einfluss der Sattelhöhe beim Radfahren auf den Blutfluss zum Penis bei jungen, gesunden Erwachsenen zu untersuchen. Sie stellten fest, dass eine niedrigere Sattelhöhe zu einem verbesserten Blutfluss im Penis führte.
5. Salonia et al. (2019) veröffentlichten einen aktuellen Überblick über die Verbindung zwischen kardiovaskulären Erkrankungen und männlichen sexuellen Störungen. Sie stellen einen Zusammenhang zwischen längerem Radfahren und einem erhöhten Risiko für Erektionsstörungen her und empfehlen eine Verbesserung der Sattelkonstruktion, um den Druck auf das Perineum zu reduzieren.
Die Wahl des richtigen Fahrradsattels und eine horizontale Sattelstellung oder eine Neigung der Sattelspitze um ein bis drei Grad nach unten bewirkt eine effektive Sitzposition zur Verringerung der perinealen Kompression. Regelmäßige Pausen und Positionwechsel, sowie das Fahren im Stehen sind ebenfalls von großer Bedeutung, um das Risiko von Potenzproblemen bei Männern zu verringern.
Quellen:
Schwarzer, U., Sommer, F., & Klotz, T. (2002). Cycling and penile oxygen pressure: The type of saddle matters. European Urology, 41(2), 139-143. doi: 10.1016/S0302-2838(01)00027-7
Bressel E, Blickhan R, Krampe R. (2003). The impact of bicycle seat shape on the pressure to the perineum of the bicyclist. Medicine and Science in Sports and Exercise, 35(2), 327-333. doi: 10.1249/01.MSS.0000048823.13530.A2
Motallebi, V., Fadavi, E., Shirazi, A., & Robati, M. (2021). Association between cycling and erectile dysfunction: A systematic review and meta-analysis. International Journal of Impotence Research, 33(4), 456-465. doi: 10.1038/s41443-021-00453-5
Kovac, J. R., Goldstein, M., & Lipshultz, L. I. (2020). Cycling and sexual function: A systematic review of current literature. Sexual Medicine Reviews, 8(3), 461-471. doi: 10.1016/j.sxmr.2019.12.003
Riccetto, C. L. Z., & Silva, V. M. (2020). Cycling and sexual function: What do we know so far? International Brazilian Journal of Urology, 46(Suppl. 1), 133-139. doi: 10.1590/S1677-5538.IBJU.2019.0407
Choi, J. H., Kim, J. S., & Lee, S. W. (2020). Impact of bicycle saddle height on penile blood flow in young healthy adults: A randomized controlled crossover trial. Sexual Medicine, 8(3), 441-447. doi: 10.1016/j.esxm.2020.05.001
Salonia, A., Castagna, G., Sacca, A., Scalka, M., Capogrosso, P., & Montorsi, F. (2019). From cycling to sexual dysfunctions: A contemporary review on the relation between cardiovascular diseases and male sexual disorders. Journal of Sexual Medicine, 16(11), 1687-1703. doi: 10.1016/j.jsxm.2019.09.007
Comments